Recruiting hat ja wirklich anderes zu tun, als sich um Unternehmenskultur zu kümmern.
Könnte man meinen! Ich habe hier einige Ideen zusammengetragen, warum Recruiting eine wesentliche Rolle in der Kulturgestaltung hat.
Also, schauen wir doch in den ganz „normalen“ Recruiting-Alltag: Da sind jede Menge Stellen zu besetzen, interne Projekte abzuwickeln und Reports zu erstellen.
Dazu kommen Karriere-Seiten und Online-Formulare, die mal wieder nicht funktionieren. Und Führungskräfte, die sich partout nicht entscheiden können (oder wollen). Und Kandidaten, die einfach mal so anrufen oder zur Tür rein marschieren, weil sie denken, sich einfach so bewerben zu können.
Und dann schweben da noch die „Trendthemen“ Online Recruiting, Active Sourcing, Digitalisierung und manchmal auch noch Big Data durch die Medien-Landschaft. Naja, wenn wir Zeit haben, kümmern wir uns gerne auch darum.
Ach ja, Unternehmenskultur? Mhm, ja da war doch was, oder?
Vor lauter „Alltag“ übersehen wir allzu leicht, wo wir Recruiting eigentlich überall Kulturarbeit macht.
Kein Employer Branding ohne Unternehmenskultur – oder umgekehrt?
Egal was Recruiting mit dem seit Jahren vielbeschriebenen Trend-Thema „Employer Branding“ macht: aufwändige, konsequente Markenarbeit, oder einfach – gar nichts. Der am Arbeitsmarkt wahrgenommenen Marke ist das egal. Es ist schließlich immer die Unternehmenskultur, die nach außen wirkt – mit jedem Inserat, jedem Email, jedem Interview. Ob Sie sich jetzt darum kümmern, die zu gestalten oder auch nicht: selbst wenn Recruiting NICHTS zum Thema Employer Branding macht oder aktiv kommuniziert, Ihre Kultur macht das verlässlich für sie.
Fragt sich halt nur, welche Kultur Sie haben, oder besser: welche Kultur(en) Sie im Unternehmen haben. Jeder Bereich, jedes Team hat seine ganz spezielle Kultur.
Kultur!?
Nein, ich meine nicht die vielen „Selbstverständlichkeiten“, die wir rasch mal in unseren Breiten als „normal“ ansehen, dass wir pünktlich, höflich oder was weiß ich sind.
Ich meine all die Verhaltensweisen und Abläufe, die in Ihrem Unternehmen als „normal“ gelten – nicht hinterfragt, kaum erkennbar, und selten mit Worten erklärbar. Für Außenstehende sind sie aber mitunter dennoch sonderbar. Employer Branding findet also immer statt.
Umso schöner, wenn Sie sich gezielt und konsequent Ihrer Arbeitgebermarke annehmen – sie besprechbar machen, sie kommunizieren und sie in den Recruitingprozessen einfach leben. Noch schöner, wenn Sie sich im Unternehmen darum kümmern, dass sich Führungskräfte und KollegenInnen danach ausrichten und bewusst darauf achten, WIE sie sich verhalten oder kommunizieren. Das stärkt die Arbeitgebermarke, erhöht in der Regel die Arbeitgeberattraktivität (zumindest in der relevanten Zielgruppe) und machten den Bewerber-Zugang einfach leichter.
Gestalten – nach innen wie nach außen.
Der Nebeneffekt bleibt aber vielfach unbemerkt, selbst bei uns Recruitern: Mit all unserer Markenarbeit pflegen wir Kultur. Sie ändert sich, entwickelt sich, allein dadurch, dass wir uns austauschen, Verhaltensweisen reflektieren und einander Feedback geben.
Bleibt nur noch die Frage, ob die Richtung stimmt.
Cultural Fit – wenn der Mis-Fit besser passt!
Ein weiteres Trend-Thema hat Recruiting in den letzten Monaten erfasst: Cultural Fit.
Nicht nur die Qualifikationen sind entscheidend für eine gute Besetzung, nein auch die Passung auf Werte- und Verhaltensebene ist entscheidend. Nett, aber darauf Achten wir ohnehin, sagen viele RecruiterInnen, z.B. in der Unterlagenanalyse (siehe dazu die Cultural Fit Studie von meta HR und Employour). Haja, jeder macht das wohl auf seine Art 😉
Ganz im Ernst: Wer einen guten Fit herstellen möchte, muss zumindest mal seine Kultur(en) kennen, erahnen oder grob einschätzen können. Das ist schon die erste größte Hürde. Oder könnten Sie Ihre Kultur(en) so aus dem Handgelenk mal schnell treffend beschreiben? Nein, keine Sorge, dafür gibt es Hilfsmittel (wie z.B. CompanyMatch, vom Sponsor des kommenden CorporateCultureCamps).
Auf die eigene Kultur zu achten, ist ein riesen Fortschritt, bringt aber allein noch wenig.
Das Potenzial liegt im richtigen Matching zwischen den Werten der Kandidaten und den Werten der eigenen Kultur – also nicht 100%-Deckung bringt uns weiter, sondern eine gute Deckung mit einem Mis-Match in Bereichen, in denen unsere aktuelle Kultur noch Entwicklungsbedarf hat.
Das bringt uns alle weiter und hilft, die „eingekauften PS“ auch auf die Straße zu bekommen.
Entscheiden als Ergebnis gelebter Kultur
Haben Sie sich eigentlich schon mal überlegt, wie Sie Recruiting zu Entscheidungen kommt? Wie ist das bei Ihnen? Wer trifft diese, wer hat daran welchen Anteil, welche Informationen braucht es dazu und wie lange dauern diese? Und warum wird manchmal nicht oder nur vage entschieden?
Alles Fragen, die am jeweiligen Entscheider liegen könnten. Doch viel wahrscheinlicher ist es, dass das Entscheidungsverhalten etwas mit Ihrer Kultur zu tun hat. Das betrifft die eingesetzten Auswahlinstrumente genauso, wie die gewöhnliche Dauer oder das ausgelebte Absicherungsbedürfnis bei Besetzungsentscheidungen.
Da hilft dann nur eines: Recruiting, mach es zum Thema!
Also, macvh es transparent und bring auch Zahlen, wieviele gute KandidatInnen nicht mehr für Euch verfügbar waren, weil zu langsam entschieden wurde. Gib Feedback direkt in der Situation, wenn mal wieder hin und her überlegt wird. Und hinterfrage, ob zusätzliche Informationen und Bedenkzeiten wirklich zusätzliche Sicherheit bringen.
Das hilft nicht nur Euch, sondern vor allem Eurem Unternehmen, Eure Stellen besser und schneller zu besetzten.
Und hat wiederum einen Nebeneffekt: Artefakte der Kultur werden sichtbar gemacht, ansprechbar gemacht und damit auch änderbar gemacht.
Recruiting ist Kulturarbeit!
Spätestens jetzt sollte klar sein, dass Recruiting aktive Kulturarbeit ist.
Kultur der Rahmen, in dem wir all die Stellen besetzen, Projekte abwickeln oder Reports erstellen. Und mit unserer Arbeit gestalten wir diesen Rahmen – mal mehr mal weniger bewusst – immer mit.
Wenn Recruiting auch in Zukunft das Unternehmen mitgestalten will, werden wir um unsere Rolle als Kulturbotschafter wohl nicht herumkommen.